Hilfe, mein Gehirn hat ein Loch!
Wie du deinen Schulabschluss schaffst und dabei möglichst viele Punkte holst. Sechs Tricks, die dir helfen
von Angelika Glitz
Warum ist das Lernen so anstrengend?
Fragst du dich manchmal, ob du es in die nächste Klasse schaffst?
Von der siebten bis zur zehnten Klasse glich meine Schulzeit einem Serienkrimi mit Cliff-Hanger am Ende jeder Folge.
„Schaffe ich es in die nächste Klasse oder muss ich zurück auf Los?“
30 Jahre später erging es meinen Kindern nicht anders.
Um mich zu motivieren, sagte mein Vater gerne: „Du lernst nicht für die Schule, sondern fürs Leben“.
Echt? Ist das so?”, fragte ich mich damals. Frage ich mich heute.
Was bringt einem die Lernerei eigentlich?
Schauen wir uns dafür mal das Fach Chemie an. Ich hatte zwei Stunden Chemieunterricht in der Woche, 40 Wochen pro Jahr, vier Jahre lang, das ergibt 160 Stunden Überlebenskampf in einem nach Schwefel und Säuren müffelnden Raum. Und was hat in meinem Langzeitgedächtnis überlebt? Ein Wissen, das auf die Karte eines Mau-Mau-Spiels passt — in 16 Punkt Schrift. Nämlich: H2O ist Wasser, CO2 macht Klimawandel und Schwefel riecht nach Pups. Jedes Unternehmen würde bei einem so miserablen Input-Output-Quotienten Konkurs anmelden. Aber die Schule macht lustig weiter.
Warum kann man sich manches einfach nicht merken? Schauen wir uns dieses Beispiel an: Was geht ab morgens im Gehirn von Norbert, Schüler der 9 a?
1. Die kleine Desoxyribonukleinsäure möchte in das Gehirn von Norbert
Es war einmal eine kleine „Desoxyribonukleinsäure“ am Montagmorgen um 8 Uhr 37 in einem Gymnasium in Hannover. Herr Reinhold, der Chemilehrer, hat den Namen der kleinen Säure mit roter Kreide an die Tafel geschrieben: Desoxyribonukleinsäure. Da steht sie nun und denkt sich: „Ich möchte so gern in das Gehirn von Norbert und da für immer drin wohnen bleiben“.
2. Leider schläft Norbert noch — sein Schlafrhtymus ist verschoben
Norbert ist Schüler der 9a und sitzt in der zweiten Reihe links. Die Jalousien seiner Augen sind um 8 Uhr 37 erst leicht geöffnet — na ja, eher geschlossen …. Das liegt daran, dass sich Norberts Schlafrhytmus in der Pubertät um zwei Stunden nach hinten verschoben hat. Schuld ist das Schlafhormon Melatonin. Es wird bei jungen Jugendlichen leider erst zwei Stunden später ausgeschüttet als bei Menschen in anderen Lebensphasen und bleibt dann für 8–10 Stunden aktiv. Das bedeutet um 8 Uhr 37 befindet sich Norberts Gehirn bedauerlicher Weise noch im “Bitte nicht stören-Modus”.
3. Im Kopf drin, aber noch lange nicht im Gehirn
“Norbert, aufwachen!”, ruft Herr Reinhold. Und da! Norberts Augenlider flattern. Die Pupillen streifen die rote Kreideschrift, stellen sich scharf. Wusch, drin ist die „Desoxyribonukleinsäure“ in Norberts Birne!
Sieg!
Sieg?
Nein, denn wir wissen, wer die Filiale der Deutschen Bank betreten hat, hat noch nicht den Tresor geknackt.
4. Die Partymaus gähnt, die Drogendealerin verweigert den Dopamin-Trip
Die Desoxyribonukleinsäure muss an der Amygdala vorbei. Man könnte sie auch „ Partymaus“ nennen, denn sie ist die Herrscherin des Lustzentrums. Sie will vor allem eins und das ist „SPAß“. Dafür braucht sie Dopamin. Das kriegt sie normalerweise von der Drogendealerin VTA (Ventral Tegmental Area).
„Guten Morgen, ich bin’s, die Desoxyribonukleinsäure”, sagt die Desoxyribonukleinsäure. Ich möchte gerne zu den Speicher-Archiven.“
„Desorientierte was?, …“, lallt die Amygdala.
„Des-oxy-ribonu-kle-insäure, Grundbaustein des menschlichen Körpers unter …“
Die VTA Drogendealerin gähnt und weigert sich, Dopamin auszuschütten. Die Amygdala gähnt ebenfalls, denn Gähnen ist ansteckend, nimmt ihr Stempelkissen und stempelt der Desoxyribonukleinsäure ein „laaaaangweilig“ auf die Stirn. Tja, da nützt es der kleinen Säure auch nichts, dass man mit ihr beim Scrabbel 51 Punkte bekommen kann — wenn man sie geschickt legt.
5. Der Verstand ist auf unbestimmte Zeit verreist
Die Desoxyribonukleinsäure will auf der Stelle den Verstand sprechen, den ehemaligen Vorstand in diesem Laden. Der einzige, der den Buchhalter Hippocampus überreden könnte, der langweiligen Säure den Weg in die Speicherarchive zu zeigen. Aber es herrschen pubertäre Zeiten, und da ist der Verstand leider gerade im Sabbatical. Also im unbezahlten Urlaub. War gerade zu viel Stress im Betrieb. Hat sich abgemeldet für ein paar Jahre. Sein Bürostuhl war einst hier oben in der Chef-Etage, gleich hinter der Stirn.
6. Kein Happy End für die Desoxyribonukleinsäure und Norbert
Ihr ahnt es, die kleine Desoxyribonukleinsäure hat es nicht in Norberts Hirn geschafft. Nein, sie hat dort kein Zuhause gefunden. Traurig, aber wahr.
7. Aber: Happy End für die Desoxyribonukleinsäure und mich
Bei mir allerdings hatte die Desoxyribonukleinsäure mehr Glück. Bei mir ist die kleine Säure seit 40 Jahren sesshaft mit fester Postanschrift.
Deswegen konnte ich sie fehlerfrei in diesen Artikel tippen, ohne sie vorher zu googeln. Ein Wunder? Nein. Ich habe für meinen Bio-Lehrer geschwärmt. Jedes Mal, wenn ich das Wort Desoxyribonukleinsäure richtig ausgesprochen habe, hat mein Bio-Lehrer gelächelt, die Drogendealerin VTA Dopamin ausgeschüttet, die Partymaus Amygdala mit Konfetti geschmissen und die Desoxyribonukleinsäure durchgewunken.
Tipps — Damit es trotzdem mit dem Lernen klappt!
Lerne mit Schmetterlingen im Bauch
Lerne mit jemandem, in den du verliebt bist. Frag den süßen Jungen von nebenan, ob er dir Nachhilfe gibt oder das coole Mädchen drei Straßen weiter. Mit ein paar Herzchen, ist der Weg ins Gedächtnis fast ein Spaziergang. Plötzlich wird das Lernen spannend, nur weil die Drogendealerin wie verrückt Dopamin ausschüttet, wenn man Schmetterlinge im Bauch hat. Hinzu kommt, dass man sich beimLernen mehr Mühe gibt, weil man vor seinem Schwarm ja nicht wie der letzte Depp aussehen möchte.
Lerne von jemandem, der liebt, was er unterrichtet
Sollte es leider gerade niemanden zum Schwärmen geben, dann lern von jemandem, der für sein Fach schwärmt. Hauptsache eine große Portion Schwärmerei ist im Spiel. Die Spiegelneuronen spiegeln die Begeisterung des Lehrers in euren Kopf. Die Amygdala bleibt wach. Und „Schwupps“ hat euch die Lehrkraft mit ihrer Begeisterung angesteckt und die „Binomischen Formeln“ sind drin. Und was macht man, wenn man keinen Lehrer hat, der sein Fach liebt? Man sucht sich einen im Internet. Zum Beispiel Daniel Jung, der jedem Mathe-Feind mit wohl dosierten Shots spitzenmäßig Mathe erklärt.
Benutze Fokus Apps
Beherrsche dein Handy, sonst beherrscht es dich. Traurig, aber wahr. Insbesondere den Umgang mit sozialen Medien. Das ist der entscheidenste Punkt überhaupt! Jedes Mal, wenn du Whatsapp oder Posts checkst, schüttet deine Drogendealerin aus lauter Vorfreude Dopamin aus. Und wir wissen ja, die Amygdala ist süchtig nach Dopamin. Bei jedem kleinsten Anflug von Langeweile will sie mehr davon! Und zack wird das Vokabelheft vergessen (zu wenig Dopamin!) und das Biobuch zur Seite gestupst (wo ist denn da bitte Dopamin?). Apps für einen besseren Fokus helfen dir dabei, “Master of the Game” zu bleiben. Ich empfehle die App „Forest“. Damit kannst du selbst bestimmen, wie lange du konzentriert lernen möchtest. Bist du im Fokus-Modus wächst ein Busch oder Baum. Schaust du aufs Handy, dann stirbt der Baum. Am Ende des Tages, kannst du sehen, wie groß dein Wald geworden ist und wie viele Baum-Leichen darin stehen. Man kann auch ein Spiel daraus machen und mit Freunden um die Wette pflanzen. 20 Minuten fokussierte Lernzeit ist effektiver, als 2 Stunden immer mal nebenbei das Handy checken. Wie viel Zeit du dabei sparen kannst!
Häng dein Handy an den höchsten Baum
… oder bring es für die Lernzeit in den Keller. Oder bring es dorthin, wo der Weg zu ihm so mühsam ist, dass du lieber weiterlernst. Dann sagt die Amygdala, “Och ne, das ist mir jetzt doch zu anstrengend für das bisschen Dopamin. Da bleibe ich lieber gemütlich am Schreibtisch sitzen.”
Lass es dir beim Lernen gut gehen
Lerne an unterschiedlichen Orten, dass hält dein Gehirn wach und deine Amygdala beschäftigt. Dort mach es dir so schön wie möglich. Setz dich in die Sonne, in ein Cafe, in eine Bücherei. Höre Musik, wenn du dich dabei konzentrieren kannst. Schaff dir eine schöne Umgebung. Nimm dir einen Tee, Kakao oder eine Wärmflasche mit an den Schreibtisch. Leg dir deine Katze auf den Schoß.
Noch mehr Tricks …
Lies den Blog-Artikel dieser Reihe „Schule ist auch nur ein Spiel“. Hier findest du Tipps, die dir ebenfalls helfen können.
Und zum Schluss …
Ja, was lernt man denn nun fürs Leben?
Na, Freunde zu finden, durchzuhalten, die Lehrer zu nehmen, wie sie sind, keine Angst vor Prüfungen zu haben, herauszufinden, was einem liegt und was nicht und überhaupt, wie man lernt. Man lernt das „Wie“, viel mehr als das „Was“.
Aber das kapiert man erst sehr viel später.